„Grenzüberschreitende Projekte erfordern Fingerspitzengefühl“
Michael Roth, Staatsminister für Europa, traf sich am 2. Dezember 2019 zum Gespräch mit Eucor-Studierenden an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und tauschte sich mit ihnen über Herausforderungen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sowie bei den europäischen Beziehungen aus. Etwa 40 Eucor-Studierende aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz aus verschiedenen Fachbereichen kamen zum Gespräch mit Michael Roth ins Rektorat nach Freiburg.
Im 6. Stock des Freiburger Rektorats angekommen, schweift der Blick erst einmal aus dem Fenster: Im winterlichen Sonnenschein erstreckt sich im Westen Freiburg und am Horizont die französischen Vogesen. Im Osten erheben sich der Freiburger Schlossberg und der Schwarzwald. Der perfekte Rahmen, um mit Michael Roth, Staatsminister für Europa und Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, über die grenzüberschreitenden Beziehungen zu sprechen.
Viele Studierende reisten für das Gespräch aus ihrem Studienort in der Grenzregion an. Mobilität und Transport spielen bei allen Eucor-Studierenden eine wichtige Rolle, da sie häufig zwischen ihren verschiedenen Studienorten im Dreiländereck pendeln müssen. Doch das Pendeln wird oft zu einer umständlichen und teuren Angelegenheit: Bisher fehlt ein grenzüberschreitendes Bahnticket, und auch die seltenen Bahnverbindungen stellen eine Hürde dar. Die Studierenden erörterten mit dem Staatsminister daher Möglichkeiten der Verbesserung des grenzüberschreitenden Nahverkehrs.
Michael Roth wies darauf hin, dass selbst auf nationaler Ebene viele verschiedene Akteure an der Umsetzung von Infrastrukturprojekten beteiligt sind. Er erklärte, dass die bi-oder trinationale oder gar europäische Entscheidungsfindung ein komplexer und langwieriger Prozess sei, selbst bei vorhandenem politischen Willen: Unterschiedliche finanzielle Vorstellungen, rechtliche Grundlagen und Verwaltungssysteme müssten berücksichtigt werden. „Grenzüberschreitende Projekte erfordern Fingerspitzengefühl und die Kenntnis der anderen Ländersysteme“, so Roth.
Eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Nahverkehrs käme laut der Studierenden jedoch nicht nur ihnen selbst zugute, sondern wäre ein wichtiges Zeichen für das Zusammenwachsen der trinationalen Oberrheinregion.
Die Idee der grenzüberschreitenden Kooperation ist jedoch nicht überall beliebt. Ein Thema, das sowohl den Staatsminister als auch die Studierenden gleichermaßen bewegte, sind die nationalistischen und populistischen Tendenzen in Europa. Roth sieht Austausch- und Mobilitätserfahrungen als bestes Mittel gegen Nationalismus und Populismus. Die Ausweitung von Austauschprogrammen auf den berufsbildenden Bereich ist für ihn prioritär, damit ein größerer Kreis positive interkulturelle Erfahrungen machen kann, wie zum Beispiel Studierende im Rahmen von Eucor oder Erasmus+.
Auch das persönliche Engagement einzelner wie etwa von Professorinnen und Professoren, studentischen Gruppen oder den Mitgliedern von Partnerschafts- oder Austauschvereinen und internationalen Jugendorganisationen erachteten die Studierenden und Roth als unerlässlich für die deutsch-französische und europäische Zusammenarbeit. „Die Staaten müssen jedoch zudem Strukturen schaffen, die nicht an Personen gebunden sind, sondern von Institutionen selbst getragen werden“, erklärt Michael Roth. Der Vertrag von Aachen, den Emmanuel Macron und Angela Merkel im Januar 2019 unterzeichneten und der an den Élysée-Vertrag von 1963 anknüpft, sei ein solcher institutioneller Rahmen und ein Signal zur Stärkung der deutsch-französischen Zusammenarbeit.
„Menschen, die ihre Überzeugung, Ideen und Zeit einbringen, um ein Vertragswerk umzusetzen, sowie Mut haben, Neues auszuprobieren, sind unersetzbar“, betont Roth abschließend. „Dafür brauchen wir Studierende wie Sie, die bereits mit anderen Kulturen und Sprachen vertraut sind und sich für die europäischen Werte einsetzen.“
Madeleine Marquardt
Foto: Sandra Meyndt