Neue Energie für drei Länder

Wind and solar energy / Wind- und Solarenergie / Énergie éolienne et solaire

Kohle verursacht Treibhausgasemissionen, Windräder verunstalten die Landschaft, Atomkraft ist gefährlich: In der Frage nach geeigneten Energiequellen scheint viel Rage, aber wenig Einigkeit zu herrschen. Welche Alternativen könnten dennoch genutzt werden, um den Stromkonsum zu decken? Das Forschungsprojekt „RES-TMO“ (Renewable Energy Sources – Trinationale Metropolregion Oberrhein) untersucht, wie eine Mischung aus erneuerbaren Energien für die Region am Oberrhein aussehen und die Versorgung sichern könnte.

In Deutschland sind die Schlagwörter „Atomkraftausstieg“ und „Kohleausstieg“ seit einigen Jahren oder sogar Jahrzehnten verbreitet, die Energiewende ist ein erklärtes politisches Ziel. Auch in Frankreich findet ein Umdenken statt, wenn auch erst seit Kurzem. Im November 2019 verabschiedete die französische Nationalversammlung ein neues Gesetz, das auf die Klimaproteste reagiert. Die EU-Regierungsspitzen einigten sich im Dezember 2019 auf ein klares Ziel: Bis zum Jahr 2050 soll Europa „klimaneutral“ werden, das heißt, alle Treibhausgase müssen vermieden oder gespeichert werden.

Doch wie lassen sich diese Ziele erreichen? Atomkraft, Kohlekraft und fossile Brennstoffe müssen reduziert und durch erneuerbare Energien ersetzt werden – darüber scheint Einigkeit zu herrschen. Insbesondere Biomasse, Wasserkraft, Geothermie, Windkraft sowie Sonnenenergie stellen eine Alternative dar, sagt Ines Gavrilut, Managerin des Projekts RES-TMO an der Universität Freiburg. „Der Anteil erneuerbarer Energien lag im Energiemix der Europäischen Union 2017 allerdings gerade einmal bei 13,6 Prozent. Um die Versorgung an die politischen Ziele anzupassen und dauerhaft sicherzustellen, muss dieser Anteil deutlich erhöht werden.“ Ein kompletter Umbau der Energieversorgung sei notwendig.

Ein Team von Eucor – The European Campus, das sich unter anderem aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fachbereiche der Universitäten Freiburg, Haute-Alsace, Strasbourg sowie dem Karlsruher Institut für Technologie und dem Centre national de la recherche scientifique (CNRS) zusammensetzt, beschäftigt sich damit, wie dieser Umbau aussehen könnte. Das Team untersucht, wie erneuerbare Energien in der Grenzregion möglichst sozialverträglich genutzt werden können. Am Ende des Projekts soll ein Konzept für ein regionales Energiesystem in der so genannten Trinationalen Region Oberrhein (TMO) entstehen. Das könne auch als Modell für andere europäische Grenzregionen dienen, sagt Gavrilut.

Weite Transportwege vermeiden

„Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien ist eine große Herausforderung, wir müssen unterschiedliche Faktoren berücksichtigen“, erläutert die Leiterin des Projekts, Prof. Dr. Barbara Koch von der Universität Freiburg. „Es gibt bisher Einzeluntersuchungen, aber keine gesamtumfassende, transnationale Studie. Wir beziehen deswegen sowohl technische, physikalische und ökonomische als auch soziokulturelle und rechtliche Aspekte in Deutschland, Frankreich und der Schweiz in unsere Untersuchung mit ein.“

Kohle- oder Atomkraftwerke bieten eine zentrale und stabile Energieversorgung, sind jedoch mit Gesundheitsrisiken behaftet, führt Koch aus: „Bei erneuerbaren Energien dagegen handelt es sich um verteilte und vorwiegend fluktuierende Energie.“ Folglich stelle sich die Frage nach der Speicherung. „Die Zwischenspeicherung von Energie hat für die Versorgungssicherheit eine zentrale Bedeutung. Wir werden daher untersuchen, welche Rolle ehemalige Bergwerke in der Region als Energiespeicher spielen.“

Auch mit dem Transport des Stroms vom Produzenten zum Verbraucher – oftmals werden hier weite Strecken zurückgelegt – wird sich das Team beschäftigen. Die Forschenden hoffen, dass Produktion und Verbrauch von erneuerbarer Energie in der Region gestärkt werden. Das hätte einen geringeren Stromtransport über Hochspannungsleitungen zur Folge, auch der Ausbau solcher Leitungen wäre reduziert. Stattdessen sollen Einspeise- und Verteilnetze aus den drei Ländern miteinander verbunden werden: „Derzeit gibt es am Oberrhein nur eine grenzüberschreitende Energieleitung“, berichtet Gavrilut. „Für eine Energieregion, die Grenzen überwinden will, ist das zu wenig.“

Kulturelle Unterschiede berücksichtigen

Philippe Hamman, Professor für Soziologie an der Université de Strasbourg, ist bei RES-TMO für die Analyse der soziokulturellen Aspekte zuständig und weist auf einen weiteren Faktor hin: „Erneuerbare Energien haben in den drei Ländern einen unterschiedlichen Stellenwert, der vom jeweiligen kulturellen und politischen Rahmen abhängt: Die Akzeptanz von Windkraft bleibt in Nordost-Frankreich zum Beispiel gering, besonders im Elsass; in Deutschland ist die Bevölkerung gespalten. Atomkraft wird zwar in Frankreich zunehmend diskutiert, behält aber für einige Leute positive Wahrnehmungen bei, während sie in Deutschland klar bekämpft wird“, sagt Hamman. „Wir werden daher beleuchten, wie diese Bedingungen die Zusammenarbeit zwischen Versorgern und Nutzern prägen und Bürgerinitiativen beeinflussen.“

RES-TMO möchte aber auch praxisnah sein: „Wir suchen den Austausch mit der Bevölkerung, mit Energieversorgern und -abnehmern. Ihr großes Wissen, ihre Ideen und Perspektiven sollen mit in die Forschung einbezogen werden“, sagt Barbara Koch. Unter anderem internationale Workshops sollen den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren ein Forum bieten, um ihre Erfahrungen einzubringen. „Wir werden auch prüfen, inwiefern wir lokale Energieinitiativen ins Gesamtversorgungsnetzwerk einbinden können“, ergänzt Ines Gavrilut.

Anschub mit Seed Money

Um das Forschungsprojekt ausarbeiten zu können, hatte Barbara Koch bereits 2018 Unterstützung durch die Seed-Money-Förderung von Eucor – The European Campus erhalten. Koch ist begeistert: „Die Anschubfinanzierung war entscheidend, um beim europäischen Förderprogramm Interreg V einen erfolgreichen Antrag einreichen zu können. Das Seed Money half uns, Workshops zu organisieren, ein Netzwerk aufzubauen und Literaturrecherchen umzusetzen.“ Das Projekt RES-TMO wurde Anfang Dezember 2019 in Freiburg offiziell eröffnet. Die Forscherinnen und Forscher haben nun drei Jahre Zeit, um Handlungsempfehlungen für die Energiewende zu erarbeiten.

Madeleine Marquardt

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