Inklusion erleben: Straßburger Exkursion nach Karlsruhe
Am 8. November 2025 entdeckten Mitglieder der Universität Straßburg die Eucor-Stadt Karlsruhe im Zeichen von Kultur und Inklusion. Arman R. Martirosyan begleitete die Gruppe und blickt auf die Exkursion zurück:
„Als heutiger Sitz des deutschen Bundesverfassungsgerichts verbindet Karlsruhe seine jüngere Geschichte eng mit dem europäischen Nachkriegsprojekt. Auf den Überresten einer ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik befindet sich heute ein umgestaltetes Kunstzentrum, im Herzen eines neuen, lebendigen Stadtviertels. Seit mehreren Jahren sät Karlsruhe die Samen einer modernen Stadt, die auf Kunst, Inklusion, nachhaltige Entwicklung und grenzüberschreitende Vernetzung setzt; ließe sich Eucor nicht sogar als eine der reif gewordenen Früchte dieses europäischen und oberrheinischen Anspruchs betrachten?
Am Morgen des 8. November 2025 trafen sich zwanzig Mitglieder der Universität Straßburg – Lehrende, Doktorand*innen sowie Mitarbeitende – am Bahnhof Kehl, um mit dem Zug nach Karlsruhe zu fahren. Unsere erste Station war das Tourismusbüro auf dem Marktplatz, mitten im Stadtzentrum. Dort hörten wir einen faszinierenden Vortrag von Ulrike Wernert, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen der Stadt Karlsruhe, über Inklusionsmaßnahmen und die von der Stadt umgesetzten Projekte. Frau Wernert stellte verschiedene technologische Mittel vor, die den Alltag nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle Einwohner*innen erleichtern. Dies zeigte uns einmal mehr, dass inklusive Maßnahmen der gesamten Gesellschaft zugutekommen.
Anschließend begleitete uns Birgit Moht (die bereits während des Vortrags von Frau Wernert spontan übersetzt hatte) zu einer Stadtführung. Ihre historischen Erläuterungen ermöglichten es uns, unsere Partnerstadt aus einer anderen Perspektive kennenzulernen.
Schließlich begaben wir uns zum ZKM – Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Eine lebendige Führung half uns, besser zu verstehen, wie Museen oder Kunstzentren Besucher*innen mit Behinderungen empfangen können. Unser Guide Anne Wagner ermutigte uns, das Museum anders zu erleben und auf Elemente zu achten, die oft unbemerkt bleiben, wie etwa taktile Bodenleitsysteme. So konnten wir die sanfte Brise erleben, die von riesigen rotierenden Figuren erzeugt wird, und einige Elemente berühren, die bei der Installation dieses Kunstwerks verwendet wurden und es ermöglichen, das Werk gedanklich zu rekonstruieren (siehe °1 unten) – eine Praxis, die speziell vom Zentrum für sehbehinderte Menschen entwickelt wurde. Das ZKM bietet außerdem Broschüren in „Leichter Sprache“ an, wodurch die Werkbeschreibungen zugänglicher und einfacher zu lesen werden.
„Ich habe diesen Ausflug unter Kolleginnen und Kollegen sehr genossen, der es mir ermöglicht hat, neue Menschen aus unterschiedlichen beruflichen Bereichen kennenzulernen – Hochschullehrende und Forschende ebenso wie Verwaltungsmitarbeitende. Zwei Dinge haben mich besonders beeindruckt: das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das trotz seiner zentralen Bedeutung für das Funktionieren der Demokratie in Deutschland aus einem Ensemble relativ bescheidener Gebäude besteht und durch die Transparenz seiner Architektur offen zur Stadt und zu den Bürgerinnen und Bürgern wirkt. Aber auch die Führung durch das Zentrum für Kunst und Medien, die durch die Dynamik und die gute Laune der Vermittlerin geprägt war und uns eine sehr inklusive Immersion in die zeitgenössische Kunst ermöglichte – durch einen multisensorischen Zugang zu den Werken, der für Publikum mit körperlichen Beeinträchtigungen konzipiert ist. Kunst mit anderen Sinnen als dem Sehen zu begegnen, erlaubt es, Schöpfung anders zu erleben und sich – in aller Vorsicht – ein wenig in die Lage von Menschen zu versetzen, die die Welt auf eine andere Weise wahrnehmen. Also ein Tag voller Entdeckungen.“ Teilnehmer Franz Lüthi
Am Ende dieser bereichernden Tagesexkursion konnte unsere Straßburger Gruppe ein tieferes Verständnis einer benachbarten deutschen Stadt entwickeln. Wir haben viel über ihre inklusiven Ansätze gelernt, was uns teilweise dazu brachte, über Verbesserungsmöglichkeiten für unsere eigene Stadt nachzudenken. Die Teilnehmenden lernten außerdem das Eucor-Netzwerk besser kennen – die Initiative, die solche interkulturellen Austausche ermöglicht. Im Grunde lag das Herz dieser Exkursion in der gegenseitigen Neugier zwischen den französischen Teilnehmenden und unseren deutschen Freund*innen. Wenn wir viel von ihnen gelernt haben, hatten auch unsere Karlsruher Kolleg*innen zahlreiche Fragen zu unserer Kultur in Straßburg und zu den Initiativen unserer Stadt zur Förderung einer inklusiven Stadt. Diese geistige Offenheit, dieser Wille, voneinander zu lernen, bildeten letztlich das Wesen dieser Eucor-Exkursion. Es ist daher nicht überraschend, dass am Abend bei der Rückkehr zum Bahnhof Kehl alle den Wunsch äußerten, am nächsten Eucor-Ereignis teilzunehmen; insbesondere ein Treffen mit unseren Schweizer Kolleg*innen aus Basel stieß auf große Begeisterung!“
Gastbeitrag von Arman R. Martirosyan
°1: Es handelt sich um das Werk von Ursula Neugebauer mit dem Titel „Tour en l'air” (1998).